Jeder von uns kennt Tage, da könnten wir den ganzen Tag essen. An anderen Tagen haben wir hingegen recht wenig Verlangen danach. Aber woran liegt das?
Der Appetit steuert unser Essverhalten.
Szenario 1: Trigger.
Du läufst durch die Stadt, und verschwendest gerade keinen Gedanken ans Essen, weil du erst vor 2-3 Stunden gut gefrühstückt hast. Und plötzlich hängt da dieser Duft in der Luft. Nach frisch gebackenen Brötchen und Verheißung auf Kuchen. Das Wasser läuft dir im Mund zusammen und du spürst diese Anziehung, die diese Bäckerei auf dich ausübt. Plötzlich ploppt in deinem Kopf der Gedanke auf «Wie sehr würde ich jetzt den Geschmack einer einer Nussschnecke, oder einer leckeren Wähe genießen!» und du fängst fast automatisch an in Richtung Eingang der Bäckerei zu steuern.
Woher kommt dieser plötzliche Appetit? Du verbindest mit dem Geruch vielleicht das gemütliche Sonntagmorgen-Frühstück von früher, im Kreis der Familie. Oder die Gemütlichkeit bei Kaffee und Kuchen zu sitzen und sich unbeschwert lustige Dinge zu erzählen. Kein Wunder, dass du dieses Gefühl wieder durchleben willst, indem du deinem Verlangen nach einem Teilchen nachgibst!
Szenario 2: Emotionales Essen.
Du kommst heim, und hast den Drang etwas zu essen. Und zwar … sofort. Du schließt die Tür ab, schmeißt deine Tasche in den Flur und dein erster Weg führt dich in die Küche. Dein innerer Dialog schaut ungefähr folgendermassen aus:
Mmhmmm was könnte ich denn jetzt essen? Einen Naturjoghurt? – Nein, ich brauche was Richtiges. Das genügt nicht. Ein Snickers? Eigentlich wollte ich mir gleich etwas Leckeres zum Abendessen kochen. Aber ich kann nicht warten‼ Der Heißhunger hat zugeschlagen. Ich möchte etwas zu essen. Ich brauche etwas zu essen. Und zwar JETZT SOFORT will ich etwas essen‼ Wo ist das Snickers??
Eigentlich wollte ich mir gleich etwas Leckeres zum Abendessen kochen. Aber ich kann nicht warten‼ Ich möchte etwas zu essen. Ich brauche etwas zu essen. Und zwar JETZT SOFORT will ich etwas essen‼ Wo ist das Snickers??
Du bist nicht du selbst wenn du Heißhunger hast. Im besten Falle greifst du statt zum Snickers zur Banane. Vielleicht isst du gleich noch eine zweite. Denn Essen beruhigt. Vielleicht hast du dich über etwas geärgert und möchtest das nun hinter dir lassen. Du hast das Gefühl, etwas «für dich» zu tun. Du kümmerst dich um dich selbst. Das nennt sich emotionales Essen. Denn Essen füllt deinen Bauch, du fühlst dich ein bisschen besser und die Leere in dir schwindet, die du vielleicht nach einem unbefriedigenden Tag verspürst.
Szenario 3: Maßlosigkeit.
Du gehst mit Freunden ins Restaurant – und da steht ein Buffet! Da sind so viele leckere Dinge – du weißt gar nicht wo du anfangen sollst. Und beschließt, dich einfach durchzuprobieren! Du hast noch lange nicht alle Speisen gekostet und bist trotzdem schon ziemlich satt. Aber es schaut doch alles so gut aus! Und das Gericht dort drüben schaut einfach so wahnsinnig lecker aus, dass es dich regelrecht anzieht. Und vom Hähnchen in Erdnusssauce musst du dringend noch eine Portion essen, das war schließlich sooooooo gut!
Hunger hast du schon längst keinen mehr. Es ist nur Appetit, der dich dazu treibt, nochmal und nochmal zum Buffet zu tigern und dir eine weitere Portion auf deinen Teller zu schöpfen. Wer weiß, wann du wieder einmal so ein tolles Buffet geniessen darfst. Und ausserdem hast du Geld für das Buffet bezahlt – es wäre Verschwendung, aufzuhören, bevor du platzt!
Szenario 4: Gewohnheit. «Lust»
Du hast gerade herzhaft zu Abend gegessen, und bist angenehm satt. Vielleicht auch schon pappsatt. Und hast trotzdem noch Lust auf ein Dessert … ohne etwas Süßes zum «Magen schließen» ist die Mahlzeit für dich noch nicht abgeschlossen. Es fehlt dir noch etwas. Deine Zunge lechzt nach dem süßen Geschmack.
Du spürst die Macht der Gewohnheit! Du bist gewohnt, etwas Süßes als Abschluss der Mahlzeit zu essen. Schließlich gab es auch im Elternhaus stets einen kleinen Nachtisch. Hunger hast du schon längst keinen mehr. Aber zum Glück gibt es diesen «Dessert-Magen». Diesen allseits bekannten kleinen Magenanhang, wo immer noch Platz für ein bisschen Tiramisu oder Eis ist 😉
Hunger oder Appetit … gibt es da überhaupt einen Unterschied?
Das waren jetzt natürlich nur Beispiele, wann du Appetit, aber keinen Hunger verspürst. Aber wie fühlt sich denn jetzt Hunger wirklich an?
Hunger ist ein Gefühl, das sich langsam im Körper aufbaut. Es fängt klein an und wird mit der Zeit immer stärker… Hunger ist höflich und klopft zuerst ganz leise an das Tor deines Bewusstseins. Erst ganz leise, und dann immer lauter. Du kannst das Klopfen ausblenden, es eine Zeit lang ignorieren. Irgendwann öffnet der Hunger das Tor und du erblickst ihn. Vielleicht hörst du dabei deinen Magen knurren. Der Hunger überwältigt dich aber nicht. Er schaut dich nur an, und du schaust ihn an. Du kannst dich entscheiden «Esse ich jetzt etwas? Oder warte ich noch?» Dabei ist dein Hunger eher unspezifisch. Er will nicht «Zucker» oder «genau dieses Erdbeertörtchen» – Er will «Nahrung!». Echte Lebensmittel!
Appetit hingegen, kann sich von einer Sekunde auf die andere aufbauen. Plötzlich schlägt der Appetit zu und es kann vorkommen, dass du dich fast fremdgesteuert fühlst. Dieser Zustand wird Heißhunger genannt. Du hast den unsäglichen Drang, dem Appetit nachzugehen. Sonst geht deine Laune in den Keller. Es braucht mal mehr, und mal weniger Willenskraft, Appetit zu widerstehen. Oftmals bräuchte es mehr Willenskraft, als du aufbringen kannst. Und du gibst nach.
Ich will nicht der Sklave meines Appetits sein.
Versteh mich nicht falsch: Es ist nicht schlimm, sich hin und wieder vom Appetit leiten zu lassen. Für mich ist das eines der Dinge, die das Leben lebenswert machen. Nicht selten habe ich Lust auf einen Kuchen. Dann backe ich mir eine gesunde Variante und genieße den Kuchen! Oder ich bereite mir stattdessen schnell ein leckeres Dessert zu, wenn mir der Kuchen zu lange dauert. Kein Problem!
Problematisch wird es erst, wenn du durch unkontrollierten Appetit Schaden nimmst. Vielleicht isst du zu viel und fühlst dich danach unwohl in deinem Körper. Dadurch nimmst du an Gewicht zu, obwohl dein Arzt dir geraten hat abzunehmen. Vielleicht hast du auch Appetit auf ein unverträgliches Lebensmittel, das dir körperlich nicht gut tut.
Du reagierst beispielsweise mit Müdigkeit oder einem Hautausschlag. Für mich persönlich hat emotionales Essen die größte Bedeutung. Wenn ich mich nicht gut fühle, neige ich dazu, das schlechte Gefühl mit Essen zu kompensieren. Bevorzugt mit Schokolade. Das funktioniert auch einigermaßen, wenn auch nur kurzfristig … denn Zucker führt zur Aktivierung des Belohnungssystems im Gehirn: das Glückshormon Dopamin wird ausgeschüttet. Ganz genau wie bei einem Drogenabhängigen, der sich seinen Stoff einwirft. Und da ist für mich ganz klar: Ich will nicht der Sklave meines Appetits sein. Ich möchte mein Handeln selbst bestimmen und nicht tagtäglich kämpfen müssen. Mein Leben soll leicht sein!
Astrid, wie hast du dich von den Ketten gelöst?
Zum Glück falle ich inzwischen nur noch selten in dieses Muster zurück. Ich persönlich esse die meiste Zeit im Jahr nur sehr wenig Kohlenhydrate (< 25 g KH am Tag). Dadurch ist mein Körper Zucker und Kohlenhydrate nicht mehr gewohnt – er «vergisst» sozusagen, dass Zucker wie eine Droge wirkt und eine Dopaminausschüttung im Gehirn zur Folge hat. Dadurch weckt der Anblick von Brötchen oder der Anblick von Gummibärchen nicht mehr das Verlangen, sie tatsächlich zu essen. Stattdessen habe ich zum Beispiel richtig Lust auf Mascarpone. Oder vielleicht sogar auf ein Rührei. Klingt komisch – ist aber so 😉 Und wenn ich satt bin, bin ich meist satt. Fühle ich mich trotzdem getrieben von Unzufriedenheit, so helfen mir kleine Entspannungsübungen. Aktuell bin ich besonders begeistert von der Wim Hof Methode. Das ist eine Atemübung, die zusätzlich zur «Meditation» den Körper noch durch eine gezielte biochemische Reaktion entspannt. Hierzu gibt es noch einen gesonderten Blogbeitrag von mir. Ansonsten hilft mir immer ein verständnisvolles Gespräch mit einem guten Freund oder einer Freundin, oder ein kleines Workout. Nicht vergessen: Bewegung und soziale Interaktion machen zufrieden!
Außerdem versuche ich, einmal am Tag echten Hunger zu spüren. Lange Zeit habe ich dieses Gefühl gar nicht mehr gekannt. Dabei ist es so befreiend. Du fühlst dich so leicht. Du beginnst zu erahnen, dass diese Völlerei, die früh am Morgen beginnt und sich mit zahlreichen Snacks und Mahlzeiten bis zur Schlafenszeit hinzieht, nicht gesund sein kann. Dass dein Körper ausnahmsweise einmal nicht mit Verdauung beschäftigt ist, sondern endlich einmal Zeit hat, sich um andere wichtige Körperfunktionen (Stichwort: Autophagie) zu kümmern. Ich esse meist erst nachmittags um 14:00 Uhr das erste Mal, und lasse das Frühstück aus. So komm ich auf circa 16 Stunden Fastenzeit zwischen dem Abendessen und dem Mittagessen. Mir tut es gut. Aber ich habe auch bemerkt, dass ich auf das Frühstück nur verzichten kann, wenn ich genug Schlaf hatte, und mich auch den Rest des Tages gesund und ohne Zucker ernähre.
Die vier oben beschriebenen Szenarien sind nur Beispiele, um dir die Macht des Appetits zu veranschaulichen.
Schreib mir in die Kommentare: In welchen Situationen wirst du zum willenlosen Sklaven deines Appetits? Zu welchen Tricks greifst du, wenn du dem Appetit nicht nachgeben willst? Ich bin mir sicher, du bist nicht allein.